Die Justiz und Polizei dienten als Erfüllungsgehilfen des Systems. Unzählige Artikel im "Holsteinischen Courier" berichten über Beschlagnahmungen, Inschutzhaftnahme und Einweisungen ins KZ. Hiermit wurden vor allem politische Gegner und "rassisch Minderwertige" bekämpft.
Die Verzahnung von Polizei, SA und SS führte 1933 zu einem Rücktritt des bisherigen Polizeiverwalters, da dieser eine so enge Bindung mit "...diesen kommunalen Kräften..." nicht mittragen konnte. Hinrich Möller wurde im April 1933 Leiter der hiesigen Polizei. Er sah seine Aufgabe darin, die Einordnung der Polizei in die Befehlshierarchie der SS voranzutreiben.
Im Januar 1934 drang er während einer Übung innerhalb des Gefängnisses gemeinsam mit SS-Männern in die Zelle des dort inhaftierten KPD-Funktionärs Christian Heuck ein. Nach der Übung wurde Heuck durch das Gefängnispersonal tot aufgefunden. Der KPD-Funktionär Rudolf Timm starb im Polizeigefängnis im Haart durch einen fingierten Selbstmord.
Das wirkt sich gut auf die Karriere aus: Möller wird am 1.3.1934 zum Sturmbannführer und am 1.1.1936 zum Standartenführer ernannt; Ernennung zum Polizeidirektor 27.5.1938. Möller wird später Polizeichef von Estland 1941-1944 und war dort mutmaßlich verantwortlich für Massenmorde und Deportationen.
Nach Kriegsende begründete Möller seine Taten mit einem direkten Befehl Himmlers. Möller wurde am 4.12.1947 zum Tode verurteilt, später aber auf eine lebenslängliche Haftstrafe begnadigt und 1955 entlassen. Er starb 1974 in Neumünster, ohne für seine Taten zur Rechenschaft gezogen worden zu sein.
Das Polizeigefängnis im Haart 48 mit 8 Bettenplätzen und Strohsäcken diente vor der Machtübernahme als Übernachtungsort für Obdachlose und zur kurzfristigen Verwahrung von Betrunkenen und Kriminellen; später „beherbergte“ es vor allem Schutzhäftlinge. Über die Belegung konnten keine detaillierten Dokumente gefunden werden. Lückenhafte Kostenabrechnungen zwischen Ortspolizeibehörde und Gestapo sowie die diversen Jahresberichte der Stadt mussten als einzige Quellen dienen.
Während die Polizei Neumünster anfangs nur allgemeine Angaben über die Haftgründe machte, wurde diese im Laufe der Jahre konkreter:
1933: 250 festgenommene Personen wegen staatsfeindlicher Umtriebe
1934: 325 festgenommene Personen (keine weiteren Angaben)
1935: 262 festgenommene Personen, davon neun wegen Bettelns und 35 wegen Trunkenheit
1936: 184 festgenommene Personen, davon fünf wegen Trunkenheit, 16 wegen Bettelns und 35 in Schutzhaft
1937: fehlende Angaben
1938: 394 festgenommene Personen, davon 141 wegen politischer Haft
1939: fehlende Angaben, sechs nachweisbare KZ-Einweisungen
1940: 291 festgenommene Personen
1941: 59 Schutzhäftlinge, sieben wegen verbotenem Umgang mit Kriegsgefangenen, 67 wegen Arbeitsvertragsbruch, 47 wegen Umgang mit Polen