Das Rathaus

Im Jahr 1933 brachte die Kommunalwahl vom 12. März auch für die Stadt eine politische Wende. Schlagartig erhöhte sich die Zahl der nationalsozialistischen Mandate von 2 auf 15, was damals die Hälfte aller Sitze des Stadtparlaments ausmachte. Ein Großteil der Neumünsteraner Bevölkerung versprach sich davon die Behebung sozialer und politischer Probleme. Zuvor war die Stadt immer wieder zum Schauplatz politischer Auseinandersetzungen zwischen Nazis und Kommunisten geworden. 4000 Neumünsteraner waren arbeitslos und lebten eher schlecht als recht von niedrigen Wohlfahrtsunterstützungen. Die "Linksparteien" SPD und KPD konnten sich mit 14 bzw. 2 Sitzen relativ gut behaupten, erhielten sie doch aus reinen Arbeitergegenden, wie den Wahlbezirken "Zwitscherviertel" und "Kasernen", großen Zuspruch.



Unter dem Jubel vieler Neumünsteraner zog die "braune Rathausfront" mit Pauken und Trompeten ins Rathaus ein. Hierbei begleitete der SA-Spielmannszug die braun uniformierten Volksvertreter. Das war der Tag, von dem an die Hakenkreuzfahne - für die nächsten 12 Jahre - das altehrwürdige Gemäuer "schmückte". Per Reichsverordnung verbot man den Kommunisten die Ausübung ihrer Mandate, Sozialdemokraten, die dem stetigen Druck nicht "freiwillig" wichen, wurden am 18. Juli 1933 "ihrer Ämter enthoben". Schon zuvor hatte die NSDAP-Kreisleitung die Beurlaubung der "2 marxistischen Stadträte" (SDP) gefordert, da mit ihnen "eine Zusammenarbeit ... nicht möglich ist". Innerhalb kürzester Zeit verschwanden alle politisch Andersdenkenden aus dem Stadtparlament. Der langjährige Oberbürgermeister Detlev Schmidt wurde abgesetzt und durch den "Parteigenossen und alten Kämpfer der Bewegung" Max Stahmer ersetzt. Die in den Ratssälen üblichen Diskussionen gehörten damit der Vergangenheit an, überall dominierten "Braunhemd" und "Parteiabzeichen".



Stadträte wurden nicht mehr gewählt, sondern ernannt; sie waren gleichzeitig als SA-Standartenführer, NSDAP-Kreisleiter, NSDAP-Ortsgruppenführer oder SS-Hauptsturmführer fest in die Parteihierarchie eingebunden. Im Rathaus vollzog sich ein erster Schritt zur Bekämpfung der "national-sozialistischen Arbeitslosigkeit". Bereits im März wurde zahlreichen Angestellten im Elektrizitäts- und Wasserwerk, in Behörden, im Stadtgartenamt, in der Stadtsparkasse usw. gekündigt, wenn sie als SPD- bzw. KPD-Wähler bekannt waren, und ihre freien Stellen mit Nationalsozialisten besetzt.



Das Rathaus wurde zu einem Ort der staatlichen Willkür, zu dem sicherlich auch Zimmer 14 - das Büro der politischen Polizei - beitrug.