Dr. Hermann Kiesewetter

Dr. Hermann Kiesewetter wurde am 07.01.1912 im Sudetenland geboren, das zu der Zeit zum Königreich Böhmen gehörte. Bereits 1928 hatte Kiesewetter die nationalsozialistische Weltanschauung kennengelernt und sich anschließend von der katholisch-internationalen Weltanschauung abgewandt. 1937 erhielt Kiesewetter seine Approbation als Arzt. Im tschechischen Militär wurde er Truppenarzt. Als man ihm 1937 Landesverrat vorwarf, flüchtete er ins Deutsche Reich.

 

 

Am 15.09.1938 trat Kiesewetter in die SS-Totenkopfstandarten ein (Nr. 310 402). Zwischen April 1939 und dem Parteieintritt in die NSDAP am 01.10.1940 (Nr. 7 930 249) gehörte Kiesewetter keinen weiteren NS-Organisationen an.

 

 

Nach seinem Eintritt in die SS wurde er als Truppenarzt der SS-Wachmannschaft im Konzentrationslager Sachsenhausen eingesetzt. Er habe sich hierbei „besonders tüchtig erwiesen“. Am 01.01.1939 wurde Kiesewetter in das Konzentrationslager Dachau versetzt.

 

 

1940 wurden die bestehenden SS-Totenkopfstandarten aufgelöst und als reguläre SS-Standarten in die Waffen-SS überführt. Hermann Kiesewetter wurde am 16.05.1941 in die Waffen-SS einberufen. Nach einer Zeit als Truppenarzt im Kommandostab Reichsführer-SS kam Kiesewetter 1941 wieder im Lagersystem zum Einsatz, dieses Mal in den Konzentrationslagern Ravensbrück (Männerlager) und Mauthausen-Gusen. Im Nürnberger Prozess wurden gegen Kiesewetter Anschuldigungen der Beteiligung an der Tötung hunderter Häftlinge durch Injektion von Gift und Benzin, begangen im KL Gusen, erwähnt. Außerdem soll er Kranke ausgesucht haben, damit sie in Gaswagen getötet werden, und Zergliederungen an lebenden Menschen vorgenommen haben.

 

 

Ein Lagerinsasse berichtet:

 

 

[…] „Kiesewetter wollte immer operieren. Er ließ sich dann wahllos irgendwelche Häftlinge in den OP bringen und operierte ohne jegliche Indikation. Es kam vor, dass er dann über der Operation die Lust verlor oder nicht weiterwusste. Er ließ den Häftling dann mit offener Bauchhöhle und manchmal auch mit durchschnittenen Därmen einfach im OP liegen und ging davon.“

 

 

Noch am 30.01.1945 wird Kiesewetter zum SS-Hauptsturmführer der Reserve befördert.

 

 

Nach dem Ende der NS-Herrschaft wird Kiesewetter in Hammelburg interniert, kann aber aus dem Internierungslager fliehen und taucht unter dem Namen Hermann Kühnl in Neumünster unter. Dort praktiziert er zwischen dem 01.10.1952 und dem 31.12.1986 als niedergelassener Arzt in der Parkstraße 22. Dort werden heute die Schülerinnen und Schüler der Theodor-Litt-Schule unterrichtet, früher war dort die Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein.

 

 

Kiesewetter alias Kühnl begeht im November 1992 Selbstmord. Zwei Ärztekollegen schreiben in einer Todesanzeige, die im Holsteinischen Courier erschien, dass er „über viele Jahrzehnte kranke Menschen, die sich ihm anvertraut haben, in vorbildlicher Wiese betreut hat“.

 

 

Quelle:

Mit freundlicher Genehmigung von Marco Pukrop, Historiker und Politikwissenschaftler: „SS-Mediziner zwischen Lagereinsatz und Fronteinsatz. Die personelle Besetzung der Medizinischen Abteilung im KZ Sachsenhausen 1936 – 1945“.

Außerdem:

-Gedenkdienstkomitee Gusen: www.gusen.org