Drägerwerke

Die Drägerwerke produzierten in Neumünster während des zweiten Weltkriegs mithilfe von Zwangsarbeiter*innen Gasmasken und Filter für die Wehrmacht. Neben den Firmen Land und See-Leichtbau, ELAC und AEG waren sie der wichtigste Rüstungsbetrieb in der Stadt.
Ab 1942 war die Tuchfabrik von Johann Jürgen Bartram am Kleinflecken 11/13 ein Zweigwerk der Drägerwerke Lübeck. Zudem wurde noch in der Lederfabrik von Emil Köster in Gadeland (Haart 224) produziert.

 


1944 arbeiteten in dem Rüstungsbetrieb 131 Beschäftigte.
Die Zwangsarbeiter*innen der Firma Dräger waren im Arbeitslager in Wittorf (Lindenstraße) untergebracht, das sich auf dem Gelände der Norddeutschen Lederwerke (Wrangelstraße 34) befand. Es unterstand der Stadt Neumünster und wurde von der Deutschen Arbeitsfront verwaltet. Eine namentliche Liste vom 20.12.1946 geht von 46 russischen und 6 französischen Arbeiterinnen und Arbeitern aus. Die Angaben aus dieser Liste sind allerdings unvollständig. Aber auch im Frauenlager, dem Arbeitslager „Faldera“ in der Ehndorfer Straße, waren „Ostarbeiterinnen“ der Drägerwerke registriert.

 


Aus dem Protokollbuch der Schutzpolizei Neumünster, Abteilung Ausländerüberwachung 1944/45, geht hervor, dass die Drägerwerke häufig „überholt“ wurden. Das war der NSDAP-Begriff für eine Überprüfung. Bei diesen Besuchen der Schutzpolizei beklagten sich die Firmen häufig über ihre Zwangsarbeiter*innen.

 


Am 24.11.1944 forderten die Drägerwerke, Kleinflecken 13 telefonisch Rücksprache mit der Geheimen Staatspolizei (Außendienststelle). Sie hatten offenbar festgestellt, dass „Ostarbeiterinnen Verdunkelungsstoff und diverse andere Sachen gestohlen haben“ soll. Die Kripo wurde darüber in Kenntnis gesetzt, die Ermittlungen stellte Kriminal-Sekretär Meyer an. Ergebnis ist uns nicht bekannt.

 


Am 9.12.1944 führte die Geheime Staatspolizei fünf „Ostarbeiterinnen“ der Drägerwerke dem Polizeigefängnis zu. Was dort dann mit ihnen angestellt wurde, bleibt unbekannt. Auch der Grund, warum die Arbeiterinnen von den Drägerwerken gemeldet wurden.

 


Am 4.1.1945 gab es eine Unstimmigkeit zwischen dem Lagerführer Heinrich Böhndel vom Lager Faldera und der „Ostarbeiterin“ Maja K., die offensichtlich als Dolmetscherin eingesetzt wurde. Maja K. war Vertrauensperson von Hauptwachtmeister Lembke, der eine obere Instanz der Schutzpolizei war. Sie hatte auch einen Antrag auf Erteilung der deutschen Staatsbürgerschaft gestellt. Böhndel trat zwei Monate später von seinem Posten zurück.

 


Durch das sog. „Durchgangslager“ (Dulag) wurden alle neu in Schleswig-Holstein ankommenden zivilen „Fremdarbeiter“ geschleust. Dass die Drägerwerke ihre Zwangsarbeiter*innen aus dem Dulag in Wittorf (Lindenstraße) bekamen, geht aus einer Notiz der Schutzpolizei vom 5.1.1945 hervor. Sie hielt an diesem Tag Rücksprache mit dem Betriebsführer vom Drägerwerk, Kleinflecken 13 und dem Lagerführer vom Durchgangslager wegen „Austausch einer bewährten Ostarbeiterin“. 5 Tage später wiederholte sich die Diskussion. Dieses Mal signalisierten die Drägerwerke, dass sie einverstanden wären, „wenn leistungsfähige Ersatzkraft gestellt wird“.

 


Im Februar 1945 beschwerten sich die „Ostarbeiterinnen“ der Drägerwerke über „saures und ungenießbares“ Essen, das vom Lager Faldera geliefert wurde. Die vorgenommene Kontrolle ergab, dass das Essen „einwandfrei und gut“ war. Anders als die Zwangsarbeiter*innen der Firma Drewes, die die gleiche Beschwerde hatten, arbeiteten die Dräger-Zwangsarbeiter*innen weiter, möglicherweise aus Angst vor Repressalien. Es wurde noch angemerkt, dass das Lager Faldera keine warmen Abendessen pro Woche auslieferte, was in anderen Lagern der Fall war (Zwangsarbeiter*innen erhielten dort 4 Mal pro Woche warmes Abendessen). Bei einer Besichtigung aller Lager für „Ostarbeiter*innen“ vermutlich Anfang 1943 wurde das Lager Faldera als „dürftig, unsauber und daher mangelhaft“ eingestuft.

 


Die Drägerwerke haben ihre NS-Vergangenheit zumindest besser aufgearbeitet als viele andere Firmen. In „Dräger – Die Geschichte des Unternehmens“ gibt es kein separates Kapitel über Zwangsarbeiter*innen, sondern die Geschichte wird in der Chronologie unter der Jahreszahl 1941 aufgeführt. Dräger gibt an, dass „zu diesem Zeitpunkt etwa 1.200 der 7.000 Mitarbeiter Zwangsarbeiter“ waren. Erwähnt wird auch das Zweigwerk Hamburg-Wandsbek, ein Außenlager des KZ Neuengamme, in dem Menschen an den Folgen von Misshandlungen durch die SS starben. Mit einigen der Häftlinge wurden Menschenversuche über das Überleben in gasdichten Luftschutzräumen angestellt.

 


Im Jahr 2010 wurde in Wandsbek eine KZ-Gedenkstätte eröffnet und ein Mahnmal für die Zwangsarbeiter*innen von Dräger errichtet. Dräger ist Mitglied der Stiftungsinitiative Deutsche Wirtschaft zur Entschädigung der Zwangsarbeiter und eines von 6000 beteiligten Unternehmen, allerdings keines der ersten Unternehmen, die eine Zusage gaben.

 


Das Kriegsende 1945 bedeutete für die Drägerwerke in Neumünster den Zusammenbruch der Produktion, denn das Zweigwerk am Kleinflecken wird beim Bombenangriff vom 4.4.1945 vollkommen zerstört. Für die Drägerwerke bedeutet es aber nicht das Ende des Wirtschaftens für die Kriegsindustrie. Noch immer ist Dräger im militärischen Bereich tätig und erwirtschaftet dort ein beträchtliches Ergebnis.

 

 

Quellen:
- Wischeropp 1971 (Beschäftigte 1939), Hoch/Schwarz (Beschäftigte 1944?)
- Schlottau 1991, S. 92

- StA NMS, MA 1819, 1822/2, 3125, 4731, 4990
- https://www.ln-online.de/Nachrichten/Wirtschaft/Wirtschaft-im-Norden/Draeger-und-der-Krieg-Mit-dem-Ruestungswahn-kam-die-Zwangsarbeit; zuletzt abgerufen am 24.07.2020
- https://www.draeger.com/Corporate/Content/draeger_die_geschichte_des_unternehmens.pdf; zuletzt abgerufen am 24.07.2020