Der Rechtsanwalt und Notar Karl Barlach wurde am 3. März 1878 in Neumünster geboren und starb dort am 1. April 1968. Sein Vater war der Geheime Sanitätsrat Dr. Carl Richard Barlach (* 14.03.1846, † 01.02.1918).
Zusammen mit seinem Vetter, dem berühmten Maler Ernst Barlach, mit dem er ab 1914 in einen Briefwechsel trat, spielte Karl als kleiner Junge im Gartengelände am Stadtteich. Als junger Mann versuchte sich auch Karl Barlach im Malen. Sein Vetter sagte über ihn: "Karl, obgleich Jurist, gestaltet mit reiner Treue, was Herz und Auge ihm in Lust und Qual zu verwinden geben und bildend aus dem Bereich des Erlebens in den des Betrachtens zu retten auffordern."
Barlach stand auf der Liste der Nationalen Aufbaufront. So nannte man in Neumünster die Partei von Alfred Hugenberg, der in der Weimarer Zeit mit nationalistischer und antisemitischer Propaganda maßgeblich zum Aufstieg der rechten Parteien beitrug. Als junger Mann wurde Barlach Stadtverordneter und 1936 Naturschutzbeauftragter für den Stadtkreis Neumünster. Er war Mitglied der NS-Organisation "NS-Kulturgemeinde Ortsverband Neumünster e.V.", ein völkisch gesinnter, antisemitisch ausgerichteter und politisch tätiger Verein. Bereits in der kommunalen Selbstverwaltung von 1933 war Barlach bürgerschaftliches Mitglied und zwar im Museumsausschuss, zusammen mit dem Tuchfabrikanten Anton Sager, dem Museumsdirektor Karl Schlabow und dem antisemitischen Studiendirektor Wilhelm Erbt.
Seine Rolle in der NS-Zeit ist ambivalent. Er hatte sich den Nationalsozialisten offensichtlich angedient, denn er schrieb die offizielle Stadtchronik für Neumünster im Zeitraum 1939 bis 1945 und deckte auch noch drei weitere Jahre nach dem Krieg ab. Er bezeichnet sich in der Chronik von 1945 als Chronist, der jetzt "in einer anderen Luft weht, als sie seit Beginn dieser Jahresübersichten mit dem Jahr 1939 um ihn wehte". Barlach schreibt, er hätte klar seinen Willen zum Ausdruck gebracht, objektiv zu berichten und sich dem nationalsozialistischen Dogma nicht unterzuordnen. Weiter schreibt er, er werde "nicht in die Bequemlichkeit und Charakterlosigkeit der leider sehr Vielen verfallen, die heute alles beschimpfen, was der Nationalsozialismus gewollt und in die Tat umgesetzt hat".
Schauen wir uns das Werk Barlachs während der Nazidiktatur an, die Stadtchronik Neumünsters von 1939 bis 1945. Er schreibt diese erst im sechsten Kriegsjahr 1945, also rückblickend. Sicher erfasst er sie aus seinen Aufzeichnungen, die er während der Kriegsjahre gemacht hat. Für 1939 beschreibt er, wie Truppen aus Neumünster, die 46er und die 66er, zu den Soldaten gehörten, die "von Anfang an dabei waren". Sie gehörten zur Division Briesen, der 30. Infanteriedivision, die nach dem Ort ihrer Aufstellung auch "Lübecker Division" genannt wird. Barlach beschreibt Briesen heroisch als "Draufgänger erster Klasse" und in der Chronik von 1942 über den "Heldentod des draufgängerischen Führers".
Im Jahresbericht für 1940 offenbart Barlach niedersten Antisemitismus, als er die wirtschaftlichen Auswirkungen des Kriegs beschreibt: "Herrschend aber war in der Kriegswirtschaft überall der Jude und zog daraus ungeheure Gewinne. Die Preise schnellten horrend in die Höhe und trotzdem war die Ware schlecht." Auch Sexismus und Chauvinismus ist ihm als Nationalisten nicht unbekannt. Über die Kriegswirtschaft sagte er pauschalisierend: "Frauenarbeit und Arbeit Ungelernter musste in den Fabriken weithin die Arbeit der gelernten Männer ersetzen, was zur Verschlechterung der Ware beitrug."
Erst die Chronik von 1945 zeigt aber, dass Barlach vom Geiste her Nationalsozialist war: Die weiße Flagge, die am 2. Mai 1945 gehisst wird, nennt er "Ergebenheitsfahne", die eine "unnötige Ergebenheitsbezeugung" sei. Die Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen bezeichnet er als "sich als Herren und Freibeuter fühlenden ausländischen Arbeiter" (an anderer Stelle auch "fremdvölkischen Arbeiter"), die "zum allgemeinen Schrecken" werden, weil sie "plündernd und mordend" das Land durchziehen würden. Insbesondere macht er sich über Menschen lustig, die sich über den Einzug der Befreier freuen: "Eine deutsche Frau hielt es in Neumünster für vorteilhaft, dem einziehenden englischen Befehlshaber mit einem Blumenstrauß entgegenzutreten." An anderer Stelle brandmarkt er sie wieder: "Zahlreiche junge Männer wetteifern in devotem Liebesdienern, namentlich aber eine Zahl junger Mädchen, die den Stolz eines besiegten Volkes in weitestem Umfang vermissen lassen, sich den fremden Soldaten durch Flanieren und allzu willfähriges Mitgehen anbieten und an den Abenden durch ein kreischendes, lärmendes Gebahren unangenehm bemerkbar machen."
Das Internierungslager in Gadeland, das nach dem Krieg von der englischen Militärregierung für die Internierung von NSDAP-Mitgliedern und Kriegsverbrechern genutzt wurde, nennt er geschichtsverfälschend und verharmlosend ein "großes K.Z. in Gadeland". Über die Menschen, die den Terror eines KZ erleben mussten, macht er sich lustig: "Im Gegensatz zu diesen neuen KZ-lern (gemeint sind NSDAP-Angehörige und Nazis) werden die entlassenen KZ-ler der nazistischen Zeit (gemeint sind Juden, Sinti und Roma, andere Opfergruppen usw.) nunmehr als eine bevorzugte Klasse Menschen behandelt, was natürlich vielen, namentlich den lediglich (!) politischen Häftlingen, sehr wohl zu gönnen ist, aber auch einer großen Zahl minderwertiger (!) Personen zugute kommt, die nun mit schamlosen Ansprüchen ihre Mitbürger vielfach übervorteilen und terrorisieren". Wer diese nach Barlach "minderwertigen Personen" sind, lässt er offen, aber seine Chronik von 1940 macht es wohl deutlich.
Für seine Verdienste im kulturellen Bereich verlieh der Bundespräsident Karl Barlach 1957 das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Quellen:
- Barlach, Karl: Stadtchronik Neumünster
- Holm, Hans Henning: Damals in Neumünster, Karl Wachholz Verlag 1977